Presserat

Nur eine Sicht der Dinge

von Sonja Volkmann-Schluck

aus drehscheibe 05/2025

Der Fall 

Eine Tageszeitung berichtet darüber, dass ein CDU-Lokalpolitiker sein Amt niederlegt. Im Artikel geht es um die Angriffe, denen Lokalpolitiker ausgesetzt sind. Der CDU-Mann berichtet von Nägeln in seinen Autoreifen. Ein anderes CDU-Mitglied erzählt davon, von einem Mann bedrängt worden zu sein. Darüber hinaus kritisiert der erstgenannte Politiker die seiner Meinung nach immer rauer werdenden Umgangsformen im Rat. Dazu zitiert die Zeitung: „Von einigen wird da nur noch blind draufgehauen, in einem Ton, der völlig daneben ist.“ Eine Person beschwert sich beim Presserat und kritisiert, der Artikel beinhalte lediglich „Vermutungen vom Hörensagen“ und keine echten Beweise. Es werde nur die Sichtweise einer politischen Partei, der CDU, wiedergegeben. Der Artikel denunziere, ohne Namen zu nennen, Ratsmitglieder anderer Parteien der verbalen Brandstiftung ohne valide Beweisführung. Die Zeitung ließe mit dem Artikel journalistische Sorgfalt vermissen.

Die Redaktion 

Nach Ansicht der Zeitung habe die Beschwerde in weiten Teilen keine Substanz. Die Vorwürfe, der Artikel gebe „Vermutungen vom Hörensagen“ wieder, seien zu pauschal. Der Vorwurf, der Beitrag berichte nur über die Meinung einer Partei, begründe per se keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Artikel thematisiere, warum sich ein CDU-Kommunalpolitiker nach persönlichen Angriffen nicht mehr in der Kommunalpolitik engagieren will. Es sei Sache der Redaktion, ob sie im Artikel auf den CDU-Politiker und die CDU-Ortsgruppe fokussieren wolle oder nicht. Ratsmitglieder anderer Parteien würden durch den Beitrag weder denunziert noch angegriffen. Im Artikel werde lediglich die Meinung des CDU-Kommunalpolitikers über den Umgangston namentlich nicht genannter und nicht identifizierbarer Ratspolitiker kleinerer Parteien als Zitat wiedergegeben.

Die Entscheidung 

Der Beschwerdeausschuss erkennt in dem Artikel einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die Zeitung hätte den scheidenden CDU-Politiker auffordern müssen, die Namen derjenigen Ratsmitglieder zu nennen, die sich seiner Meinung nach im Ton vergreifen. So hätte die Zeitung die kritisierten Politiker konfrontieren und eine Stellungnahme ihrerseits einholen können. Auch wenn der Artikel das Ausscheiden eines Politikers und seine Beweggründe thematisiert, gehören seine Vorwürfe und die Erwiderung der Kritisierten doch unmittelbar zusammen.

Der Kodex

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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