Presserat

Von der Pressemitteilung abgeschrieben

von

aus drehscheibe 09/2021

Der Fall:

Eine Lokalzeitung berichtet online über die neue Tourismus-Strategie der Stadt und der örtlichen Tourist-Information. Der Presserat erhält hierzu eine Beschwerde. Der Beschwerdeführer trägt vor, der veröffentlichte Beitrag sei nahezu eine vollständige Kopie der Pressemitteilung der Stadt. Er kritisiert, dass keine entsprechende Kennzeichnung erfolgte.

Die Redaktion:

Die Redaktion räumt ein, den Inhalt der Pressemitteilung weitgehend übernommen zu haben. Die Veröffentlichung sei ein Missverständnis in der Kommunikation zwischen Reporter und Newsdesk gewesen. Der Vorgang entspreche nicht der Praxis der Redaktion.

Das Ergebnis:

Im Vergleich zur Pressemitteilung finden sich kleine textliche Änderungen an einigen Stellen. Hierin sieht der Presserat eine hinreichende Bearbeitung durch die Redaktion, die die Kennzeichnungspflicht unbearbeiteter Pressemitteilungen nach Ziffer 1 des Pressekodex entfallen lässt.

Presseethisch problematisch ist aber, dass die Pressemitteilung die einzige Quelle für den Artikel ist. Die Berichterstattung lässt keine eigene redaktionelle Rechercheleistung erkennen, sondern gibt die Inhalte der Pressemitteilung weitgehend wieder. Dies verstößt gegen die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2 des Pressekodex. Zur wahrheitsgetreuen Wiedergabe gehört auch, den Leserinnen und Lesern die einseitige Quellenlage transparent zu machen. Mit der Veröffentlichung von inhaltlich nicht gegenrecherchierten und nicht oder nur wenig bearbeiteten Pressemitteilungen erhalten deren Verfasser die Möglichkeit, ihre Sicht ungefiltert der Öffentlichkeit zu präsentieren. Unabhängigkeit in der Berichterstattung kann bei Pressemitteilungen grundsätzlich nicht vorausgesetzt werden.

Der Kodex:

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Richtlinie 1.3 – Pressemitteilungen

Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion ver-öffentlicht werden.

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche kenntlich zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

 

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

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