Presserat

Zur Zielscheibe gemacht

von

aus drehscheibe 07/20

Der Fall 

Eine Regionalzeitung berichtet über einen „Hundehasser“, der Giftköder auslegt, um Hunde zu töten. Ein namentlich genannter Anwohner, der sich selbst als „Hundeliebhaber“ bezeichnet, setzt der Zeitung zufolge eine 5.000-Euro-Belohnung aus, um den Täter zu finden. Er hat eine persönliche Motivation: Die beiden Bulldoggen seines Sohnes sind den Giftködern zum Opfer gefallen. Als der Artikel erschienen ist, beschwert sich der Hundefreund beim Presserat. Ihn stört, dass die Redaktion seinen Namen genannt und damit seine Familie zur potenziellen Zielscheibe gemacht hat. Zwar habe er selbst die Redaktion informiert, dass er für Hinweise eine Belohnung von 5.000 Euro aussetze. Es sei ihm jedoch nur um einen zusätzlichen Hinweis zum Polizeibericht gegangen. Die Redakteurin habe ihm gegenüber aber mit keinem Wort erwähnt, dass sie beabsichtige, eine darüber hinausgehende Geschichte mit ihm im Mittelpunkt zu schreiben. Am Erscheinungstag habe er die Redaktion außerdem vergeblich um die Löschung seines Namens bzw. des Artikels gebeten.

Die Redaktion 

Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, eine Redakteurin habe den Beschwerdeführer angerufen und ihm gesagt, dass sie über die Polizeimeldung hinaus eine Geschichte zu dem Thema schreiben wolle. Aus dem Gespräch mit dem Beschwerdeführer sei eindeutig hervorgegangen, dass daraus ein Beitrag für die Zeitung und den Online-Auftritt entstehen würde. Der Beschwerdeführer habe im Zuge der Recherche zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass er anonym bleiben wolle. Korrekt sei, dass sich der Beschwerdeführer nach Erscheinen des Beitrages an die Zeitung gewandt habe, weil er über die namentliche Nennung erschrocken gewesen sei. Aus Kulanz habe sich die Redaktion nun entschlossen, den Beitrag aus der Online-Ausgabe zu löschen.

Das Ergebnis 

Der Beschwerdeausschuss sieht einen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Pressekodex. Er spricht einen Hinweis aus. Die Redaktion hätte den Beschwerdeführer im Online-Beitrag umgehend anonymisieren müssen, als dieser sich an sie wandte und eine Löschung der personenbezogenen Daten verlangte. Weil bei medienunerfahrenen Personen nicht damit zu rechnen ist, dass sie sich mit den Gepflogenheiten der Presse auskennen, hätte die Redaktion den Beschwerdeführer aufklären müssen, dass sie eine identifizierende Berichterstattung plant, und ihn um Erlaubnis bitten müssen. Insofern liegt hier außerdem ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex vor.

Kodex

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Ziffer 8– Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

 

Vivian Upmann

Sonja Volkmann-Schluck

ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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