Namensnennung

Beate Z., Uwe M., Uwe B.

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Ermittlung und Aufarbeitung der Taten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) halten derzeit die Republik in Atem, eine Hiobsbotschaft jagt die andere – und es lässt sich wieder ein Phänomen beobachten: Zunächst werden die Nachnamen der mutmaßlichen Täter abgekürzt, Bilder gepixelt, dann wagt sich ein Medium nach vorne, nennt den vollständigen Namen und zeigt unverpixelte Bilder. Anschließend ist der Damm gebrochen, und die restlichen Medien folgen. Das war schon bei Josef F. aus Amstetten so, bei Tim K. aus Winnenden, und im Fall NSU ist es auch nicht anders. Doch welche rechtlichen Vorgaben sind bei der Namensnennung und beim Pixeln von Fotos zu beachten?

Ob bei der Berichterstattung über Straftaten der volle Name des mutmaßlichen Täters genannt werden darf, hängt immer vom  Einzelfall ab und muss durch Abwägung unterschiedlicher Interessen entschieden werden. Auf der einen Seite steht das Interesse des mutmaßlichen Täters am Schutz seiner Persönlichkeitsrechte. Jeder Mensch hat ein Interesse auf Wahrung seiner Anonymität. Auf der anderen Seite interessiert die Öffentlichkeit, wer hinter einer Tat steht. Wenn dieses Informationsinteresse sehr stark ist, kann es das Interesse des Betroffenen an der Wahrung seiner Anonymität überwiegen.

Die Gerichte haben für die Abwägung beider Interessen Grundsätze entwickelt, die eine Entscheidungshilfe geben: Natürlich spielt die Schwere der Tat eine Rolle. In Fällen von Schwerkriminalität, zum Beispiel Mord, ist eine Namensnennung möglich. Ebenfalls von Bedeutung ist, ob die Straftat die Öffentlichkeit besonders berührt. Es gibt Straftatbestände, die Rechtsgüter schützen, die mehr dem Schutz der Gesellschaft und weniger dem Schutz des Einzelnen dienen. Der Straftatbestand der Volksverhetzung (Paragraf 130 StGB) ist ein solches Beispiel. Auch die Person des Täters kann von Interesse sein: Wer im Fokus der Öffentlichkeit steht oder eine Vorbildfunktion erfüllt, muss es sich eher gefallen lassen, seinen vollen Namen oder sein Bild in der Zeitung zu sehen als „Otto Normalverbraucher“. Die Art oder die Umstände der Tat können schließlich auch ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit begründen.

Im Fall der NSU gibt es eine Reihe von Gründen, die für die volle Namensnennung der mutmaßlichen Täter sprechen und die es auch rechtfertigen, nicht gepixelte Fotos zu zeigen. Dennoch ist beim Nennen von Namen und Zeigen unverpixelter Fotos große Zurückhaltung und Behutsamkeit geboten. Denn wie im Fall NSU kristallisieren sich oft erst im Laufe der Zeit Bedeutung und Tragweite einer Tat heraus, und es wäre mit hohen Risiken verbunden, vorschnell vollständige Namen zu nennen und unverpixelte Bilder zu zeigen. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen es um Verdachtsberichterstattung geht. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das die Mehrzahl der Fälle betrifft. Denn für die Betroffenen gilt solange die Unschuldsvermutung, bis sie rechtskräftig verurteilt worden sind. Auch wenn dies im Fall von Beate Z. kaum einzuleuchten vermag und die Indizien erdrückend sind: Sie ist mutmaßliche Komplizin der ungeheuerlichen Taten, und dies muss bei jeder Berichterstattung zum Ausdruck gebracht werden.

Grund zum Nachdenken und Innehalten bietet der Fall NSU aber auch aus einem ganz anderen Grund. Bislang war ausschließlich vom Täterschutz die Rede, der Opferschutz kam dabei – wie so oft – nicht zur Sprache. Es stimmt nachdenklich, dass die Namen der mutmaßlichen Täter der NSU zunächst abgekürzt und deren Fotos verpixelt, die der Opfer jedoch von Anfang an in Wort und Bild vollständig genannt wurden, teilweise sogar mit Geburtsdaten.

Oliver Stegmann

Autor

Dr. Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Frankfurt zugelassen und arbeitet als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind das Presse- und Urheberrecht sowie das Recht der Neuen Medien. Seine Promotion befasst sich mit der Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil in der deutschen und französischen Presse.

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