Presserecht

Foto gemacht und weitergegeben

von

aus drehscheibe 11/20

Das Foto zeigte einen schwarzen Patienten im Wartebereich eines Universitätsklinikums. Nachdem der Fotograf die Aufnahme gemacht hatte, war er sowohl von dem Patienten als auch von einer Ärztin der Klinik und der herbeigerufenen Polizei aufgefordert worden, das Foto zu löschen. Dennoch gab er die unverpixelte Aufnahme an die Redaktion der Bild-Zeitung weiter, die das Foto unverpixelt veröffentlichte. Der dazu gestellte Bericht dokumentierte den Verdacht unzureichender Sicherheitsvorkehrungen des Klinikums gegen Ebola-Verdachtsfälle. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war die Befürchtung allgegenwärtig, das Virus könnte sich in Deutschland verbreiten. Der Fotograf wurde wegen der Weitergabe des Fotos wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses gemäß Paragraf 33, 22 f. des Kunsturhebergesetztes (KUG) zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen erhob er  Verfassungsbeschwerde – und bekam im Sommer 2020 Recht.

Im KUG ist das Recht am eigenen Bild geregelt. Fotos von Personen dürfen danach nur dann verbreitet werden, wenn diese damit einverstanden sind. Nicht erforderlich ist das Einverständnis allerdings dann, wenn das Bildnis „aus dem Bereiche der Zeitgeschichte“ stammt. Moderner formuliert muss das Foto „Zeitgeschehen“ dokumentieren. Das war bei dem Foto des Patienten unstreitig der Fall. Nach Auffassung der Strafgerichte hätte das Foto von dem Fotografen nicht an die Redaktion weitergegeben werden dürfen, zumindest nicht unverpixelt. Der Patient sei nämlich in Anbetracht der Darstellungsweise in dem Artikel und der hohen Verbreitung von Bild einer besonderen Stigmatisierung ausgesetzt gewesen. Die über mehrere Instanzen involvierten Gerichte rechneten dem Fotografen auch die Veröffentlichung des unverpixelten Fotos zu, weil er die Berichterstattung selbst veranlasst und auch angestrebt habe. Daher sei er verpflichtet gewesen, für die Verpixelung des Fotos zu sorgen.

Das Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidung auf. Es sah vor allem deshalb keine Grundlage für eine Strafbarkeit, weil gerichtlich nicht geklärt worden war, ob der Fotograf die Bild-Redaktion über die Umstände informiert hatte, unter denen das Foto entstanden war. Ein genereller Freibrief für Fotografen ist die Entscheidung dennoch nicht.

Paragraf 33, KUG stellt denjenigen unter Strafe, der das Foto einer Person unbefugt „verbreitet“. Der Fotograf hatte argumentiert, dass er das Foto durch die Weitergabe an die Redaktion von Bild noch gar nicht „verbreitet“ habe, es habe sich lediglich um einen presseinternen Vorgang gehandelt. Das sah das Bundesverfassungsgericht anders. Pressefotografen und Journalisten unterlägen bei der Weitergabe bestimmter Fotos durchaus auch Sorgfaltspflichten. Dennoch lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Strafbarkeit des Fotografen ab, weil die Strafgerichte die beteiligten Grundrechte falsch abgewogen hätten. Aufseiten des Betroffenen im Warteraum habe nicht die Weitergabe des Fotos zu dessen Stigmatisierung geführt, sondern erst die Veröffentlichung. Nur wenn der Fotograf das Foto der Redaktion überlassen und dabei erhebliche Umstände verschwiegen hätte, hätte dieses Verhalten einen strafrechtlichen Vorwurf gegen ihn begründen können. Erheblich war im konkreten Fall, dass der Patient nicht damit einverstanden war, dass er fotografiert wird. Die Strafgerichte hatten aber gerade nicht die Frage geklärt, ob der Fotograf die Redaktion von Bild darüber im Unklaren gelassen hatte. Alleine dadurch, dass der Fotograf das Foto der Redaktion unverpixelt überlassen hatte, habe er nicht gegen journalistische Sorgfaltspflichten verstoßen, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Es liege in der Verantwortung der Redaktion, bei der Veröffentlichung von Fotos die Rechte der Abgebildeten zu wahren. Die bloße Weitergabe durch den Fotografen habe nicht die berechtigten Interessen des Patienten verletzt. Die Entscheidung macht deutlich, dass Fotografen die Bildredaktion stets über besondere Umstände der Aufnahme informieren sollten, vor allem wenn die abgebildeten Menschen erkennbar nicht damit einverstanden sind, dass sie fotografiert wurden.

Oliver Stegmann

Oliver Stegmann

ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Mediator (DAA). Er ist Partner in der Kanzlei Esche Schümann Commichau in Hamburg. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet.

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