Presserecht

Recherche vor die Tür

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Die im Grundgesetz durch Artikel 5 geschützte Pressefreiheit gewährleistet nicht nur, Nachrichten und Meinungen zu verbreiten. Von der Pressefreiheit erfasst ist auch das Beschaffen von Informationen. Nur durch ungehinderten Zugang zu Informationen kann die Presse ihre Rolle in einer freiheitlichen Demokratie wirksam wahrnehmen. Deshalb überrascht es, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in letzter Instanz das einem Journalisten erteilte, zeitlich befristete Verbot, das Amtsgericht zu betreten, als rechtmäßig erachtete.

Der Reihe nach: Ein Journalist hatte sich in einem Amtsgericht vor den Büros der Gerichtsvollzieher postiert und Schuldner, die dort Termine hatten, angesprochen. Er stellte ihnen die Frage, ob sie „Kunden“ des Gerichtsvollziehers seien. Außerdem hatte er angekündigt, Infomaterial zu verteilen. Ihm lägen Erkenntnisse vor über die Verletzung „von Dienstgeheimnissen, Befangenheit, Alkoholprobleme, Diebstahl von Betriebsmitteln und Sex unter den Justizangestellten. Der Präsident des Amtsgerichts hatte darauf mit einem Verbot reagiert, „die Gebäude des Amtsgerichts zum Zweck der Durchführung von Befragungen und Verteilung des aus der Anlage ersichtlichen Flyers“ zu betreten. Das Verbot war auf einen Zeitraum von mehreren Monaten beschränkt. Gegen dieses Hausverbot ging der Journalist gerichtlich vor.

Rechtsgrundlage des Verbots ist das Hausrecht. Es umfasst die Befugnis, über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtung zu bestimmen. Das Verbot muss bei öffentlichen Einrichtungen der Wahrung ihrer Zweckbestimmung und der Abwehr von Störungen dienen. Auch bei privaten Gebäuden kann der Eigentümer Hausverbot erteilen. Gestützt wurde das darauf, dass nur so die Funktionsfähigkeit des Amtsgerichts gewahrt und anders der Beratungs- und Dienstleistungsbetrieb nicht gewährleistet werden könne. Außerdem gebiete die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die Mitarbeiter des Amtsgerichts zu schützen. Deren Persönlichkeitsrechte würden durch die Befragung und das Verteilen des Flyers beeinträchtigt. Das leuchtet ein, da die Behauptung, es gebe Alkoholprobleme und komme zu Sex am Arbeitsplatz, natürlich die Privat- und Intimsphäre der Mitarbeiter tangiert. Auch die Persönlichkeitsrechte der „Kunden“ würden durch das Verhalten des Journalisten beeinträchtigt. Denn seine Fragen beträfen nicht nur die Vermögensverhältnisse dieser Personen, sondern auch die Privatsphäre. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass durch die Fragen die Aufmerksamkeit Dritter auf die „Kunden“ gesteigert werden könnte. Es werde jedoch als „unschicklich“ empfunden, einen  Gerichtsvollzieher aufzusuchen beziehungsweise Schulden zu haben.

Auf der Seite des Journalisten war zu berücksichtigen, dass er sich auf die Pressefreiheit berief und das Hausverbot diese Freiheit natürlich nicht unerheblich einschränkt. Dem Verwaltungsgerichtshof zufolge hatte die Pressefreiheit in diesem Fall jedoch zurückzustehen. Mit eine Rolle spielte dabei, dass der Eingriff in die Pressefreiheit nach Auffassung des Gerichts nicht allzu schwer wog. Denn dem Journalisten werde nicht generell der Zutritt verwehrt, sondern lediglich zu den im Verbot genannten Zwecken. Vor dem Gebäude könne der Journalist die Personen ungehindert befragen.

Ein Nachgeschmack bleibt. Denn gerade weil die Pressefreiheit auch die Beschaffung von Informationen umfasst, ist es sehr problematisch, dass bestimmte Orte für und Formen der Recherche untersagt werden können.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.
Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-mail: o.stegmann@esche.de
Internet: www.esche.de

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