Presserecht

Tatsache oder täuschender Titel

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„Sterbedrama um seinen besten Freund – Hätte er ihn damals retten können?“ So titelte die Zeitschrift Woche der Frau in einer Ausgabe im Jahr 2012. Die Story dahinter: Ein ehemaliger Klassenkamerad von Günther Jauch hatte im Jahr 1982 einen tödlichen Herzinfarkt erlitten. Der Fernsehmoderator hatte damals seit Längerem keinen Kontakt mehr zu dem Verstorbenen. Deshalb erschien die auf der Titelseite aufgeworfene Frage an den Haaren herbeigezogen. Jauch wehrt sich konsequent gegen die Berichterstattung, durch die er sich betroffen oder falsch dargestellt sieht. Deshalb verlangte er auch den Abdruck einer Gegendarstellung auf der Titelseite. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken verurteilte die Wochenzeitschrift entsprechend: Sie musste auf der Titelseite die Gegendarstellung von Jauch tatsächlich abdrucken, er habe keine Möglichkeit gehabt, seinen Freund zu retten.

Das Bundesverfassungsgericht befand nun jedoch, dass die Verurteilung zum Abdruck der Gegendarstellung das Grundrecht der Pressefreiheit der Wochenzeitschrift verletzte. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es nur noch um die Frage, wer die Kosten des Rechtsstreits über den Abdruck der Gegendarstellung zu tragen hat. Das Oberlandesgericht Zweibrücken hatte die Kosten dem Verlag auferlegt. Zu Unrecht, wie das Bundesverfassungsgericht jetzt feststellte. Der in den Landespressegesetzen (LPG) geregelte Anspruch auf Gegendarstellung soll nüchtern betrachtet gewährleisten, dass auch die andere Seite gehört wird. Damit soll der sogenannte Grundsatz der Waffengleichheit hergestellt werden. Das bedeutet, dass die Gegendarstellung an derselben Stelle abgedruckt werden muss, an der sich die Erstmitteilung befunden hat, und zwar in derselben  Schrift, Größe und Farbe.

Gegendarstellungen sind nach deutschem Recht ausschließlich gegenüber Tatsachenbehauptungen möglich, also bei Äußerungen, deren Inhalt als wahr oder unwahr bewiesen werden kann. Wer von einer Tatsachenbehauptung der Presse betroffen ist, soll die Möglichkeit haben, dieser unmittelbar inhaltlich entgegenzutreten – und zwar unabhängig davon, ob sie wahr ist oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht sagt, der Betroffene soll die Möglichkeit bekommen, die Frage der Wahrheit „vorläufig in die Schwebe zu bringen“.

Wenn aber die Nachricht gar keine Tatsachenbehauptung verbreitet, dann gibt es auch nichts entgegenzustellen. Das war nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bei der auf der Titelseite aufgeworfenen Frage (Hätte er ihn damals retten können?) der Fall. Denn Fragen seien offen für verschiedene Antworten, Tatsachen würden dabei nicht behauptet, sondern allenfalls gesucht. Das Bundesverfassungsgericht sah in der Überschrift also eine Frage, der ein hinreichender tatsächlicher Gehalt fehlte. Die Wochenzeitschrift habe nie behauptet, dass der Moderator tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, seinen Freund zu retten.

Das Gegendarstellungsrecht an sich ist sehr formal. Eine der Voraussetzungen ist, dass der Umfang der Gegendarstellung angemessen sein muss. Den etwas schwammigen Begriff „angemessen“ konkretisieren die meisten Landespressegesetze durch eine Beweisregel: Ist die Gegendarstellung nicht länger als die Erstmitteilung, gilt sie als angemessen.

Außerdem müssen Betroffene den Abdruck „unverzüglich“ nach Kenntnisnahme der Veröffentlichung verlangen. „Unverzüglich“ bedeutet nach der Rechtsprechung der meisten Gerichte, dass zwischen Kenntnisnahme des Beitrags und Abdruckverlangen nicht mehr als zwei Wochen liegen dürfen.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.
Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-mail: o.stegmann@esche.de
Internet: www.esche.de

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