Interview

„Den Hanauer Anzeiger wird es noch lange geben“

von Stefan Wirner

Frühe Ausgabe des Hanauer Anzeigers (Foto: Yvonne Backhaus-Arnold)
Frühe Ausgabe des Hanauer Anzeigers (Foto: Yvonne Backhaus-Arnold)
(Foto: Yvonne Backhaus-Arnold)
(Foto: Yvonne Backhaus-Arnold)

Er ist die drittälteste Zeitung Deutschlands: der Hanauer Anzeiger. Die Redaktion begeht das 300-jährige Bestehen im September 2025 mit Stolz und Freude. Darüber sprachen wir mit Redaktionsleiterin Yvonne Backhaus-Arnold.

Frau Backhaus-Arnold, der Hanauer Anzeiger begeht im September ein besonderes Jubiläum, sein 300-jähriges Bestehen. Woher wissen Sie das Alter Ihrer Zeitung?

Das ist tatsächlich sehr gut dokumentiert, etwa beim Hanauer Geschichtsverein und auch im Stadtarchiv. Dort lagern die Ausgaben ab dem Jahr 1727. Aus den ersten zwei Jahren gibt es keine Exemplare. Aber es gibt dazu urkundliche Erwähnungen.

Ich habe gelesen, man nennt solche frühen Ausgaben „Intelligenzblätter“. Also Mitteilungsblätter mit Bekanntmachungen wie Gerichtsterminen, Ausschreibungen, Zwangsversteigerungen etc. Wie sah denn das Hanauer Intelligenzblatt damals so aus? Was stand da drin?

Der erste Titel lautete Wochentliche Hanauer Frag- und Anzeigungsnachrichten. Tatsächlich „Wochentlich“ statt „Wöchentlich“. Das Ö fehlte. Die Zeitung erschien einmal in der Woche, immer donnerstags. Das Jahresabo hat einen Gulden gekostet. Eine Bekanntmachung kostete zwei Albus, eine damals verbreitete Währung. Das waren umgerechnet zwölf Pfennig. Das Format war A5. Das Blatt hatte nur vier Seiten. Da gab es zum Beispiel Geburtsanzeigen, Todesanzeigen, Verkäufe, Fehlermeldungen usw. Ich habe beim Stöbern im Archiv in einer Ausgabe reingelesen. Manches ist wirklich lustig: Jemand hatte sein Stofftaschentuch verloren und hoffte, es auf diesem Weg wiederzubekommen. Ein Stofftaschentuch war damals halt eine wertvolle Sache.

Sie sagen, der Hanauer Anzeiger sei die drittälteste Zeitung Deutschlands. Wer ist denn älter?

Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung ist älter und der Pfälzische Merkur.

Wie begehen Sie das Jubiläum?

Wir waren am Hanauer Bürgerfest beteiligt, dessen Namensgeber wir auch sind. Das wird seit den 1950er-Jahren zu Ehren der Trümmerfrauen und der wenigen Trümmermänner gefeiert. Wir hatten dort ein großes Zelt, haben eine Ausstellung kuratieren lassen, die man vom 5. bis zum 7. September sehen konnte, und beim Leserfest nochmal sehen kann. In dem Zelt gab es Aktionen für die ganze Familie, alles rund um die Themen Schrift und Sprache und Kalligrafie, ein Lesecafé und natürlich waren Redakteurinnen und Redakteure vor Ort. Außerdem gab es eine akademische Feier im Schloss Philippsruhe. Auch Dr. Dirk Ippen, der ja jetzt, seitdem wir zur Mediengruppe Offenbach-Post gehören, unser Verleger ist, war dabei. Die Bundeszentrale für politische Bildung war ebenfalls vertreten bei einer Gesprächsrunde zum Thema Lokaljournalismus. Und die hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann hat ein Grußwort gesprochen. Wir haben 300 Jahre gefeiert, natürlich auch zusammen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

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Was wird es noch alles geben?

Am 19. September wird der jährliche Stadtlauf veranstaltet, bei dem wir in diesem Jahr mit einem Team aus Leserinnen und Lesern und Mitarbeitern an den Start gehen. Die Startgebühren kommen dem Hanauer Frauenhaus zugute, zu dem wir seit Jahren eine enge Verbindung haben. Der Hanauer Anzeiger hat es durch eine große Spendenaktion Ende der 1990er gerettet, nachdem die Landesmittel über Nacht gestrichen worden waren.

Den Abschluss bildet dann Ende September das große Lesefest hier bei uns im Verlag mit vielen Aktionen und Vereinen und Chorauftritten. Das feiern wir am Jahrestag der Erstausgabe, die erschien am 27. September 1725. Auch Rudi Völler, Ehrenbürger der Stadt, wird für eine Gesprächsrunde und Autogramme zu uns kommen. Darauf freuen wir uns alle sehr!

Was bedeutet es für Sie, bei einer Zeitung zu arbeiten, die so eine lange Geschichte hat? Wie denkt man darüber als Journalistin?

Meinen Kolleginnen und Kollegen und mir ist bewusst, dass das etwas sehr Besonderes ist. Wenn man einmal eine halbe Stunde im Archiv war und gesehen hat, wie viele Jahrzehnte und Jahrhunderte wir die Menschen hier in der Region begleitet haben, dann ist das wirklich ganz toll. Wir sind hier eine fest verankerte Marke, die zur Stadt gehört und zur Region.

Innerlich musste ich gerade ein bisschen schmunzeln, denn mittlerweile gibt es ja auch Zeitungen, die heute von sechs Tagen in der Woche nur noch zwei in Print erscheinen oder wie damals nur einmal die Woche. Kehrt der Lokaljournalismus zu seinen Wurzeln zurück?

Es ist tatsächlich so, dass die Zeitung anfangs nur einmal die Woche erschienen ist, dann zweimal die Woche. Unter Napoleon hießen wir Hanauer Departements-Blatt. Ab 1872 erschien der HA täglich. Und jetzt erleben wir eben wieder einen Wandel.

Jetzt will ich natürlich noch wissen: Wird es den Hanauer Anzeiger auch in 300 Jahren noch geben?

Meine Güte, wenn ich das wüsste. Ich glaube, es wird den Hanauer Anzeiger noch ganz lange geben. Auf jeden Fall noch eine ganze Zeit auf Papier, und online gibt es uns ja eh schon. Ich hoffe, es gibt uns einfach weiter. Auch in 300 Jahren noch – immerhin haben wir uns so oft neu erfunden, der Verlag sich immer wieder verändert. Aber mit Sicherheit gibt es uns dann auf andere Arten und über andere Verbreitungswege.

Frau Backhaus, die drehscheibe gratuliert ganz herzlich zum Jubiläum.  

Interview: Stefan Wirner

Yvonne Backhaus-Arnold

ist Redaktionsleiterin des Hanauer Anzeigers. E-Mail: yvonne.backhaus-arnold@hanauer.de

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