Themenwoche Technologie

„Die Technik-Bubble hat uns entdeckt“

von Josephine Macfoy

(Bild: Olaf Schöllhorn)
Olaf Schöllhorn ist Redakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung.

Desinformationen, Hassrede, Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten: Die Gefahren sozialer Medien besorgen viele Menschen – so auch Olaf Schöllhorn. Der Redakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung sah sich nach Alternativen zu X, Instagram und Co. um und stieß auf das sogenannte Fediverse, das alternative Social-Media-Universum. Dort legte er der EJZ einen eigenen Auftritt an. Im Interview sprachen wir mit ihm über seine Erfahrungen.

 

Herr Schöllhorn, Sie haben für die Elbe-Jeetzel Zeitung einen Mastodon-Kanal eingerichtet. Die Loklaredaktion ist jetzt Teil des sogenannten Fediverse. Bitte erklären Sie: Was ist das Fediverse und wie funktioniert es?
Das Fediverse ist ein Netzwerk aus verschiedenen Apps, die miteinander kommunizieren können. Das ist der Unterschied zu klassischen sozialen Plattformen wie Facebook oder Instagram, die voneinander getrennt sind. Die Dienste im Fediverse sind alle miteinander verbunden. Ich kann mich also auf einer Plattform wie Mastodon anmelden und trotzdem Inhalte von anderen Fediverse-Plattformen wie etwa PeerTube sehen, sie liken oder kommentieren – ganz ohne dort ein Konto zu haben.

Sie haben nicht nur ein Konto eingerichtet, sondern gleich einen eigenen Mastodon-Server im Fediverse aufgesetzt. Warum war das sinnvoll?
Unser Mastodon-Server ist im Fediverse eine sogenannte Instanz, also ein Knotenpunkt in dem Netzwerk. Im Gegensatz zu Apps wie Instagram, die auf Daten auf ihren Servern speichern, ist Mastodon dezentral. Alles ist Open Source. Das bedeutet: Niemand besitzt alle Server und alles, was darauf gespeichert wird. Und jeder kann einen eigenen Server betreiben. Wir haben das gemacht, damit wir die volle Kontrolle über unsere Inhalte und Daten behalten. Die überlässt man auf gängigen sozialen Plattformen einem Konzern.

Wie sind Sie bei der Einrichtung vorgegangen?
Wenn ich neu in so eine Plattform einsteige, suche ich erst einmal Bekanntes. So habe ich mir angeschaut, welche Medien dort schon unterwegs sind. Dabei bin ich auf einen inoffiziellen Bot-Account einer anderen Zeitung gestoßen – der hat automatisch Inhalte aus deren RSS-Feed ins Fediverse gespiegelt. Da dachte ich: Das können wir auch. Mit Unterstützung aus der Technik-Abteilung habe ich dann eine eigene Instanz, also den Server, aufgesetzt. Nun werden EJZ-Beiträge automatisch mit Bild, Überschrift, Teaser und Hashtags auf unserem Kanal zeitung.social gepostet.

Wie wird der Kanal von den Fediverse-Usern angenommen?
Die Technik-Bubble im Fediverse hat uns definitiv neu entdeckt. Das sind Menschen, mit denen wir über klassische Kanäle wie Facebook oder Instagram nie in Kontakt gekommen wären. Ich würde sagen: Zwei Drittel unserer Follower sind technikaffine oder medieninteressierte Menschen, ein Drittel kommt tatsächlich aus der Region.

Wie äußert sich die Menschen, die sie im Fediverse erreichen, über die Inhalte der Elbe-Jeetzel Zeitung? Bekommen Sie Rückmeldungen über Beiträge?
Ja, und die sind meist erstaunlich differenziert. Gerade bei kontroversen Themen wie Windkraft bekommen wir dort sachlicheres, konstruktiveres Feedback als auf anderen Plattformen. Auf Facebook ist viel Moderation notwendig, bei Mastodon kaum. Der Ton ist einfach angenehmer – das tut der Diskussion gut.

Der Name Ihres Servers ist zeitung.social. Warum haben Sie sich für einen allgemeinen Namen entschieden?
Der ist bewusst so gewählt. Die Idee war, dass auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Redaktionen dazukommen können. Unsere eigene Zeitung läuft dann z. B. unter dem Account @ejz@zeitung.social. Das Projekt war von Anfang an so gedacht, dass es wachsen kann.

Wie können sich interessierte Lokalredaktionen anschließen?
Wer Interesse hat, kann sich gern bei uns melden, auch wenn es um die technische Einrichtung geht und darum, Inhalte automatisch zu posten.

Welche Chancen sehen Sie langfristig für das Fediverse im Lokaljournalismus?
Es ist noch ein Experiment, das muss man ehrlich sagen. Für viele Redaktionen ist der Aufwand im Vergleich zum Nutzen schwer abschätzbar. Das Fediverse ist kein Reichweitenbringer, aber wenn man eine bestimmte Zielgruppe erschließen sich unabhängig von den großen Plattformen machen möchte, ist das eine echte Alternative. Die Möglichkeiten sind da, man muss sie nur nutzen.


Für Neugierige:

Der Kanal MediaOnMastodon listet auf, welche Redaktionen den Schritt ins Fediverse bereits gewagt haben – lokal und überregional, national und international.

 

Olaf Schöllhorn

ist Redakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung.

E-Mail: schoellhorn@ejz.de

Mastodon-Kanal: zeitung.social/@ejz

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