„,Klima‘ und ,Umwelt‘ sind Reizwörter“
von Josephine Macfoy

Vor einem Jahr hat Sarah Schlüter das bundesweit erste Klima-Volontariat begonnen. Die drehscheibe hat berichtet und fragt nun nach, welche Erkenntnisse sie inzwischen gewonnen hat.
Frau Schlüter, Sie haben uns zu Beginn Ihres Volontariats bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) von Ihrer Motivation berichtet (Ausgabe 05/2024). Welche Erfahrungen haben Sie seitdem gemacht?
Erst einmal war ich sechs Monate lang in der Lokalredaktion in Duisburg und habe die klassische journalistische Arbeit kennengelernt. Die Kolleginnen und Kollegen dort gaben mir besonders Klima-Themen weiter. In unserer Nachhaltigkeitsredaktion habe ich die anschließenden drei Monate verbracht. Diese Zeit hat mir sehr geholfen, um Expertise aufzubauen. Jetzt nutze ich das Wissen darüber, welche Themen sich anbieten, welche Fachleute ich ansprechen kann, und darüber, was in unserer Leserschaft funktioniert, in allen anderen Ressorts. Als Nächstes stehen externe Stationen an, zum Beispiel in der Presseabteilung im Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie.
Wie gehen Sie in den unterschiedlichen Ressorts an das Thema heran? Und was hat sich im Lokalen bewährt?
Ich überlege mir, wie das Klima in dem Ressort zu den wichtigen Themen passt. Im Kulturressort habe ich etwa darüber geschrieben, wie Konzerte nachhaltiger werden können. Im Lokalen sind besonders persönliche Geschichten erfolgreich. Wenn man nur darüber berichtet, wie stark Duisburg von der Klimakrise betroffen ist, kann der Text noch so toll recherchiert sein – solche Beiträge interessieren die Leute oft wenig. Wichtiger ist stattdessen: Wie zeigt sich das für die Menschen? Hat jemand zum Beispiel seit Monaten Wasser im Keller stehen? Können Vorerkrankte bei Hitze nicht mehr rausgehen? Auch Geschichten mit Tieren, etwa über Biodiversität, lesen viele.
Haben Sie einen Ansatz gefunden, wie man im Lokalen neben der persönlichen auch die wissenschaftliche Ebene des Themas bearbeiten kann?
Es ist nicht immer einfach, aber auch in persönlichen Geschichten versuche ich, Hintergründe unterzubringen. Voriges Jahr habe ich zum Beispiel über eine Familie mit wenig Geld berichtet, deren Auto nach einem Unwetter einen Totalschaden hatte. Ich habe erklärt, warum dieses Gewitter gerade in Duisburg solche Verwüstung angerichtet hat. Was davon letzten Endes den Leserinnen und Lesern im Gedächtnis bleibt, lässt sich schwer sagen.

Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal war die Klimakrise ein riesiges Thema. Mittlerweile nimmt das Interesse ab. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?
Ich finde sie gefährlich. Für manche Menschen sind „Klima“, „Umwelt“ und „Nachhaltigkeit“ zu Reizwörtern geworden, sodass sie Artikel mit diesen Begriffen gar nicht erst anklicken oder schnell wieder aufhören, sie zu lesen. Diese Themen scheinen leider viele nur dann zu interessieren, wenn sie unmittelbar betroffen sind.
Welche Zukunft sehen Sie für lokalen Klimajournalismus?
Es ist auf jeden Fall wichtig, weiterhin zu berichten, und zwar konsequent. Wir dürfen das Thema nicht aus den Augen verlieren, weil es zu wichtig ist – auch wenn Beiträge mal weniger gelesen werden. Immer wenn ich bei Seminaren oder Workshops bin, heißt es außerdem, wir sollten mehr konstruktiven Journalismus machen und eben auch über Lösungsansätze berichten. Das mache ich immer wieder. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass Klimathemen sehr abstrakt sein können und es am Ende auch oft darum geht, was Politiker und Unternehmen machen müssten. Die großen Klimaschutzmaßnahmen können nicht von Privatpersonen umgesetzt werden. Ich glaube, dass viele Menschen sich deshalb etwas hilflos und alleingelassen fühlen.
Was raten Sie Redaktionen, die mehr übers Klima berichten wollen?
Das Praktische am Thema Klima ist, dass es in fast jedem Bereich eine Rolle spielt und im Alltag mitgedacht werden kann. Nicht jeder Zusammenhang ist komplex. Manchmal wollen die Leute auch einfach nur wissen, wie sie ihren Müll richtig entsorgen. Und so ein Text ist verhältnismäßig schnell geschrieben.
Interview: Josephine Macfoy
Zum Nachlesen
Unser erstes Gespräch mit Sarah Schlüter finden Sie in der Ausgabe 5/2024. Zur Ausgabe
drehscheibe-Mitarbeiterin Emely Hofmann war im Sommer 2024 im Ahrtal. Hier lesen Sie ihre Reportage über die Menschen dort und was sie sich an Hilfe und von der Berichterstattung erwarten. Zum Artikel
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