Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine

Ukrainische Expertise fürs Lokale

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(Foto: AdobeStock/pronoia)
(Foto: AdobeStock/pronoia)

Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine: sinnloses Leid, tausende Tote, Zerstörungen, Vergewaltigungen, Folter, Verschleppung von Kindern und kein Ende in Sicht. Unter den Menschen, die seit Februar 2022 aus dem attackierten Land fliehen mussten, waren auch ukrainische Journalistinnen. Einige von ihnen fanden Unterschlupf bei deutschen Tageszeitungen. Die drehscheibe hat darüber berichtet (Ausgaben 7/2022 und 13/2022). Wir wollten wissen, ob diese Kooperationen noch bestehen und wie sie laufen.

Süddeutsche Zeitung

„Die Zusammenarbeit mit Anna Huryn und Emiliia Dieniezhna besteht nach wie vor“, erzählt Karin Kampwerth, stellvertretende Leiterin des Ressorts „München, Region, Bayern“.

Emiliia Dieniezhna (Foto: Karin Kampwerth)
Emiliia Dieniezhna (Foto: Karin Kampwerth)

„Emiliia Dieniezhna etwa hat im Herbst einen Artikel über den Besuch des Oktoberfests geschrieben. Anna Huryn verfasste eine größere Geschichte über die doppelte Flucht ihrer Mutter, die im Spätsommer in die Ukraine zurückgekehrt ist, um dann bald wieder nach Dachau zu kommen, weil es wieder extrem gefährlich wurde. Außerdem hat Huryn eine frühere ukrainische X-Factor-Kandidatin porträtiert, die inzwischen hier in einem kleinen Chor mitsingt“, erzählt Kampwerth.

„Ein Fokus auf Themen mit ukrainischem Bezug besteht nach wie vor, ist aber auch gewollt, um mit professionellem Blick aus der ukrainischen Community heraus zu berichten“, betont die Ressortleiterin.

Emiliia Dieniezhna besucht demnach in München inzwischen verstärkt kulturelle und politische Veranstaltungen, die sich an Geflüchtete, aber auch an Einheimische richten, um das gegenseitige Verständnis zu stärken. „Sie berichtet zudem regelmäßig kritisch über die Probleme bei der Integration, die beispielsweise gar nicht von allen ukrainischen Geflüchteten gewollt wird, weil der Wunsch, wieder in die Heimat zurückzukehren, viel stärker ist als der Wille, sich hier ein neues Leben aufzubauen“, sagt Kampwerth. „Die Beiträge werden von der Leserschaft gut aufgenommen, in der gedruckten Ausgabe genauso wie auf der Homepage oder auf den Social Media-Accounts der SZ. Bei Letzterem beobachten wir aber auch leider eine oft unfreundliche Kommentierung.“

Die Redaktion möchte die Zusammenarbeit ausweiten. „Emiliia Dieniezhna allerdings arbeitet noch als Lehrerin für Deutsch und Englisch in der Brückenklasse einer Schule und ist Mutter einer kleinen Tochter. In Kürze werden wir in der Redaktion genau darüber mit ihr sprechen, wie wir die Zusammenarbeit künftig gestalten können. Sie verfolgt zudem ihre Tätigkeit in einer ukrainischen Anti-Korruptions-NGO weiter. Hier ist noch unklar, inwieweit sich das Engagement dann mit ihrer journalistischen Arbeit verbinden lässt.“

Anna Huryn (Foto: privat)
Anna Huryn (Foto: privat)

Und Anna Huryn? Sie schreibt für den Lokalteil Dachau der Süddeutschen Zeitung. „Sie ist noch mit ihrem Studium beschäftigt, die Lokalredaktion in Dachau ist aber sehr engagiert, sie in die redaktionelle Mitarbeit einzubinden.“

Und Kampwerth resümiert: „Schön ist zu beobachten, dass die Texte beider Kolleginnen seit Beginn unserer Zusammenarbeit sprachlich deutlich an Fahrt aufgenommen haben und sie Themen pointiert darstellen können. Beide schreiben auf Deutsch.“

Westfalenpost

Maria Pravdyva arbeitet weiterhin für den Lokalteil der Westfalenpost in Meschede und Schmallenberg. „Sie wird im März ihr Deutsch-Zertifikat B2 abschließen“, erzählt Oliver Eickhoff, der Leiter der Lokalredaktion in Meschede.„Das ist für uns der Startschuss für eine neue Phase der Zusammenarbeit: Wir möchten die wöchentliche Kolumne, die sie bisher schreibt, zu dem Zeitpunkt enden lassen und Maria Pravdyva als freie Mitarbeiterin einsetzen. Wir werden versuchen, sie Schritt für Schritt mit alltäglichen Themen zu beauftragen, die sie dann auf Deutsch bearbeiten wird.“

Maria Pravdyva (Foto: privat)
Maria Pravdyva (Foto: privat)

Bislang schreibt Pravdyva eine Kolumne, in der sie aus ihrem neuen Leben in Deutschland, ihrem früheren Leben in der Ukraine und über ukrainische Flüchtlinge in ihrem jetzigen Wohnort Schmallenberg berichtet.

„Anfangs, als zu Beginn des Krieges die Anteilnahme an den ukrainischen Flüchtlingen noch größer war, war die Resonanz sehr gut und das Interesse hoch“, erzählt Eickhoff weiter. „Das hat etwas nachgelassen. Wir lassen die Rubrik seit einigen Wochen aus den Gründen auch optisch nicht mehr ganz so plakativ groß, sondern kleiner laufen. Ausnahme: der Jahrestag des Krieges in dieser Woche.“

Pravdyva möchte in Schmallenberg bleiben. „Bei allen immer noch bestehenden sprachlichen Schwierigkeiten und trotz fehlender Mobilität – kein Auto auf dem Lande – möchten wir gern weiterhin mit ihr zusammenarbeiten“, betont Eickhoff. Voraussetzung für den Erfolg sei natürlich das möglichst gute Beherrschen der deutschen Sprache. „Die Kollegin ist hier auf einem sehr guten Weg.“

 

Zum Nachlesen

Im Frühjahr 2022 haben wir auch über Iryna Hornieva berichtet. Sie arbeitet inzwischen nicht mehr bei der Westfalenpost.

Mehr zum Thema Krieg gegen die Ukraine finden Sie in unserem Dossier Krieg in Europa.

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