Best Practice

Lokal, hintergründig, interaktiv

von

Abgeordnetenhauswahl Berlin 2016

Idee

Das Berlinressort des Tagesspiegel (Berlin) hat zur Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2016 ein eigene Seite für die Wahl eingerichtet. Wahl.tagesspiegel.de ist Dashboard für alle Inhalte, die der Tagesspiegel zur Berlinwahl veröffentlicht hat. Ziel der gesamten Wahlberichterstattung war es, Aufklärung in Sachen Politik zu betreiben und den Menschen Lust auf das Wählen zu machen. Die Redaktion setzte dabei auf Interaktivität und Übersichtlichkeit.

Vorbereitung

Etwa ein halbes Jahr vor der Wahl begann die Redaktion mit der Planung. Einmal in der Woche traf sich Robert Ide, Ressortleiter Berlin / Brandenburg, mit den Mitarbeitern der hauseigenen Datenabteilung, Data Science and Stories. Data Science and Stories ist zuständig für die technische Gestaltung der Subdomain. Ebenfalls wöchentlich gab es ein Jour fixe mit den Kollegen des Berlinressorts, in der die inhaltliche Gestaltung besprochen wurde. „In meiner Zeit als Sportredakteur habe ich gelernt, dass es sehr sinnvoll ist, sich vor Großveranstaltungen regelmäßig zusammenzusetzen und den Stand der Dinge zu klären“, erklärt Ide, zumal Sonderseiten und –projekte viel Vorbereitungszeit benötigten, die man anfangs noch habe, kurz vor der Wahl aber nicht mehr.

Umsetzung

„Das Dashboard Wahl.tagesspiegel.de ist der Ort, an dem alles zusammenläuft“, sagt Ide. Interaktive Grafiken zu historischen Wahlergebnissen gehören ebenso zum Inhalt wie die Entwicklung der Zustimmung für einzelne Parteien während des Wahlkampfes. Nach der Wahl sind auch die Ergebnisse in Grafiken abgebildet. In einem Feed werden die Tweets des eigens eingerichteten Redaktionsaccounts @TspBerlin gezeigt. Die Artikel aus der Zeitung sind ebenfalls auf der Seite verlinkt.

„Wir haben festgestellt, dass die Leser an hyperlokalen Inhalten sehr interessiert sind. Deswegen haben wir unseren Fokus auf eine kleinteilige Berichterstattung aus den Bezirken gelegt“, erläutert Ide. Aus diesem Grund können alle Karten, ob sie historische oder aktuelle Wahlergebnisse abbilden, nach einzelnen Stimmbezirken und Straßen durchsucht werden. Nach dem Vorbild des Wahl-O-Mat der Bundeszentrale hat die Redaktion des Tagesspiegel den Bezirk-O-Mat entwickelt. Leser konnten dafür Fragen aus ihrem Kiez einreichen, die Antworten auf die Fragen hat die Redaktion in den Wahlprogrammen der Parteien gefunden.

Robert Ide im Videointerview.

Debatten

Eine überregionale Debatte löste der Tagesspiegel damit aus, dass sich der Spitzenkandidat der SPD, Michael Müller, in einem Gastbeitrag der CDU als Koalitionspartner eine Absage erteilte. Die Spitzenkandidaten der anderen Parteien äußerten sich teils deutlich in weiteren Gastbeiträgen zu Müllers Aussagen. „Von da an war unsere Redaktion auch überregional die erste mediale Anlaufstelle zur Wahl“, erzählt Ide.

Ebenfalls heftig diskutiert wurde in den moderierten Streitgesprächen. Der Spitzenkandidat der Partei Die Linke Klaus Lederer traf dabei zum Beispiel auf den Spitzenkandidaten der AfD Georg Pazderski. „Zweimal hatte Lederer schon seine Sachen in der Hand und wollte gehen. Am Ende waren dann aber beide Parteien sehr glücklich damit, sich der Auseinandersetzung gestellt zu haben“, erzählt Ide.

Den Spitzenkandidaten widmete sich der Tagesspiegel noch einmal einzeln in anderthalbstündigen Gesprächsrunden, zu denen auch Leser eingeladen waren. Die Gespräche wurden live bei Facebook gezeigt und auf Twitter und in einem Liveblog begleitet. Sowohl die anwesenden Leser als auch die Community in den sozialen Netzwerken konnten den Kandidaten eigene Fragen stellen. „Mehr als 30.000 Nutzer sahen sich die Videos auf Facebook an“, sagt Ide. „Besonders bei der AfD war das Interesse groß.“ Die Aussagen des Kandidaten der AfD wurden zusätzlich noch einem Faktencheck unterzogen, der sich auch als notwendig erwies.

Am Tag der Wahl selbst verwandelte sich Wahl.tagesspiegel.de in einen Live-Ergebnisblog. Drei Tage lang versorgten die Redakteure der Zeitung in Schichten die Seite mit Neuigkeiten. Stetig aktualisierten sich die Karten mit den Ergebnissen, Eilmeldungen benachrichtigten die Leser, Reporter berichteten aus den einzelnen Wahlkreisen. „Dadurch, dass wir eine automatisierte Lösung gefunden haben, die Daten des Landeswahlleiters direkt in unsere Grafiken einzufügen, waren wir schneller als die Seite des Landeswahlleiters“, freut sich Ide.

Reaktionen

Von den 3,9 Millionen Page Impressions des Wahl-Dashboards im September entfielen 3 Millionen allein auf das Wochenende der Wahl. Über Facebook wurden zudem eine halbe Million User erreicht. „Die Artikel, die online am häufigsten beim Tagesspiegel aufgerufen wurden, behandelten Wahlthemen“, sagt Ide. „Da soll noch einer sagen, die Menschen interessieren sich nicht für Politik!“

Zur Bundestagswahl 2017

Sowohl die Subdomain Wahl.tagesspiegel.de als auch der neue Twitteraccount sollen bestehen bleiben und zur Bundestagswahl genutzt werden. Die interaktiven Formate, die sich bei der Abgeordnetenhauswahl bewährt haben, werden ebenfalls zur Bundestagswahl neu aufgelegt.

Robert Ide, Tagesspiegel

Robert Ide

Zeitung: Tagesspiegel (Berlin)
Tel.: 030 - 290 211 47 02
Mail: robert.ide@tagesspiegel.de
Twitter: @ichgruessesie
Fotocredit: Mike Wolff

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