Storytelling Mai 2014 Making-of

Frau Haasis, wie haben Sie denn diese Bankfiliale im Hobbyraum gefunden?



Das ist klassischer Lokaljournalismus und kein Wunderwerk gewesen. Ich arbeite in der Ludwigsburger Redaktion der Stuttgarter Zeitung und kümmere mich dort um lokale Wirtschaftsthemen. Mit der Kreissparkasse habe ich immer wieder zu tun. Und ich wusste, dass es solche kuriosen Filialen gibt, im Kreis Ludwigsburg sogar noch zwei. Der Pressesprecher hat dann den Kontakt zu Elke Schmidt hergestellt.

Wie haben Sie sich auf das Treffen vorbereitet?



Ehrlich gesagt, bin ich einfach hingefahren. Was hätte ich vorher auch recherchieren sollen? In der Geschichte geht es ja hauptsächlich um Frau Schmidt und ihre kleine Kreissparkasse – und das ist kein kompliziertes Thema. Wie bei Unternehmen oft der Fall, waren bei dem Treffen allerdings auch ein Pressesprecher und der Regionaldirektor zugegen. Solche Personen, die normalerweise nicht da sind, verfälschen leider die Situation – zumal jeder etwas zu sagen hat. Frau Schmidt war davon etwas eingeschüchtert, hatte ich den Eindruck. Außerdem kam während dieser zwei Stunden kein einziger Kunde vorbei.

Wie sind Sie dann mit dieser Situation umgegangen?



Ich bin ein zweites Mal nach Ochsenbach gefahren – dieses Mal aber alleine. Wieder für rund zwei Stunden. Das hat sich gelohnt. Kundschaft kam vorbei und Frau Schmidt kam ins Reden. Um rund 200 Zeilen niveauvoll füllen zu können, braucht man Material, in diesem Fall Alltag.

„Ich bin diejenige, wo die Sparkasse hat“, sagt Frau Schmidt gleich zum Einstieg des Artikels. Das bringt den Leser ganz nah an die Protagonistin heran. An dieser Stelle lassen Sie Frau Schmidt in Mundart sprechen, danach nicht mehr. Warum?



Hier in Württemberg sprechen wir Schwäbisch in unterschiedlichen Ausprägungen. Das Zitat am Anfang des Textes hat Frau Schmidt gleich charakterisiert als klassische, bodenständige Schwäbin. Allerdings darf man den Dialekt in solchen Texten nicht überstrapazieren. Wenn es zu viel ist, stört es den Lesefluss. Geschrieben wirkt ein Dialekt viel schwerfälliger als gesprochen, und deshalb muss man aufpassen, dass der Protagonist dadurch nicht zu provinziell wirkt.

Wie kam es zu den Überraschungen und Kuriositäten, wie etwa die Episoden mit dem Schreibmaschinen-Fachmann Herrn Michel und dem Bankräuber?



Es hat sich auf jeden Fall ausgezahlt, dass ich ein zweites Mal hingefahren bin. Dabei habe ich sehr viele Fragen gestellt. Zur kuriosen Registermaschine genauso wie zum Privatleben von Frau Schmidt.

Was mussten Sie weggelassen?



Weggelassen habe ich am Ende nichts.  Es gab eine Phase, da hatte die Episode, in der Frau Schmidt und ihr Mann einen Bankräuber quasi stellen, keinen Platz mehr in der Reportage. Aber gerade diese Geschichte fand ich so klasse, dass ich tatsächlich das ganze Konzept noch einmal über den Haufen geworfen habe, nur damit der Bankräuber hineinpasst.

Herr Schmidt kommt in der Geschichte nur an wenigen Stellen vor. Über ihn erfährt der Leser sehr wenig. Wieso?



Zum einen, weil ich Herrn Schmidt gar nicht kennengelernt habe und zum anderen, weil ich das Gefühl hatte, dass Frau Schmidt Berufs- und Privatleben trennt. Die Bank ist ihr Ding, da hat ihr Ehemann nichts mit zu tun.

Der Text ist gespickt mit Details über den Ortsteil Ochsenbach und zur Sparkassen-Struktur. Wie viel Zeit haben Sie darauf verwendet?



Ich bin lange durch den Ort spaziert. In der Reportage geht es ja nicht nur um Frau Schmidt, sondern über den Strukturwandel im ländlichen Raum. Dass der Bäcker dort längst geschlossen hat, spielt deshalb auch eine Rolle. Aber der Strukturwandel ist nicht auf Ochsenbach beschränkt. Die Reportage-Seite, auf der die Geschichte erschienen ist, deckt das Ressort Stuttgart und Region ab. Deshalb habe ich die Kreissparkassen in den fünf Landkreisen rund um Stuttgart abtelefoniert, um herauszufinden, wo es solche Filialen sonst  noch gibt. Bei dieser Recherche bin ich dann auch auf Sparkasse-Filialen in den Bussen gestoßen, die in Nordhessen im Einsatz sind. Außerdem habe ich noch bei der Deutschen Bank Ludwigsburg nachgeforscht. Mir ist es wichtig, dem Leser mehr als nur schöne Beschreibungen und Zitate zu liefern. Man soll die Geschichte einordnen können.

Wie viel Recherche- und Schreib-Aufwand stecken in diesen 200 Zeilen?



Rund drei Tage. Die Reportage ist allerdings über Wochen entstanden, was auch daran lag, dass das Thema zeitlos ist und es daher nicht sofort ins Blatt drängte.

 

Interview: Sarah Biere

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Sarah Biere, geboren 1987 in Köln, verbrachte ihre Schulzeit in Brühl und (ein Jahr) in Kalifornien. In Bonn studierte sie Englisch und Geschichte. Sie arbeitete für den Fernsehsender Phoenix, bei der WDR-Tagesschau, absolvierte Praktika beim Radio, bei der ARD in Warschau und schließlich  – bis September 2014 – ein Volontariat bei der Rheinischen Post in Düsseldorf.

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